Traditionelle chinesische Medizin (TCM)
Die traditionelle chinesische Medizin ist ein holistisches Medizinsystem, das den Menschen als Einheit in sich und mit dem Kosmos betrachtet. Es ist ausgerichtet auf die Herstellung von Harmonie im Körper, auf energetisches Gleichgewicht im Inneren. Ihre Methoden sind sanft und sie zielen auf eine Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Symptome werden auf ihre Ursache hin untersucht, die Disharmonie im Körper von ihrer Wurzel her behandelt. Dieses Charakteristikum der Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit macht die TCM zu einem so effizienten Heilsystem.
Die TCM, die wir heute kennen, entstand in den 50er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts unter dem chinesischen Namen zhongyi. Sie ist ein Modell, das im Zuge der Rückbesinnung auf die alten kulturellen Werte Chinas entwickelt wurde. Hintergrund war die Notwendigkeit, ein effektives und dabei kostengünstiges Medizinsystem für alle Bevölkerungsschichten bereitzustellen. Die Wurzeln und Basistheorien der TCM sind jedoch über 2000 Jahre alt, sie haben ihrer Basis im Yijing (Buch der Wandlungen), in dem Werk, das ursprünglich Kalender und Orakelbuch gewesen war. Viele der alten Theorien fielen der Säuberungsaktion im maoistischen China zum Opfer. Die wichtigsten Säulen der traditionellen chinesischen Medizin sind:
Der Mensch als Mikrokosmos im Makrokosmos
Yin und Yang
Die Fünf Wandlungsphasen
Yin und Yang
Die Philosophie von Yin und Yang sieht die Erscheinungen der Welt in zwei Gegenpole unterteilt. Die beiden Gegenpole bilden eine untrennbare Einheit, sie unterstützen, bedingen und beschränken einander. Beide sind relative Größen, und jede Kraft birgt einen Teil der anderen in sich. Extremes Yin bringt Yang zum Wachsen, extremes Yang bringt Yin zum Wachsen. Das gesamte Spektrum des Zusammenspiels beider Kräfte wird durch die uns heute bekannte Monade dargestellt. Die Karte in ihrer Gesamtheit zeigt die endlose Bewegung und Veränderung von Yin und Yang, die vitale Energie (Qihua 氣化) an. Dieses Modell bildet die wichtigste Basis der chinesischen Medizin, es durchzieht sie wie ein roter Faden. Harmonie zwischen Yin und Yang bedeutet Gesundheit im menschlichen Körper.
Die Fünf Wandlungsphasen
Das Zusammenspiel der Organe untereinander folgt den Gesetzmäßigkeiten der Fünf Wandlungsphasen, einer weiteren Theorie, die ihre Wurzeln in der frühen chinesischen Philosophie hat. Die Organe werden zu Yin/Yang-Paaren zusammengefasst, jedes Organpaar wird einer Wandlungsphase zugeordnet. Daneben bestehen weitere Zuordnungen der Organpaare und Wandlungsphasen zu Jahreszeiten, Himmelsrichtungen, Farben, Geschmacksrichtungen, Entwicklungsstufen, Emotionen, Sinnesorganen und Körperschichten, so dass ein System der „systematischen Zuordnungen“ entsteht. Das Zusammenspiel der Fünf Wandlungsphasen umfasst einen Förderzyklus und einen Kontrollzyklus:
Vereinfacht dargestellt lautet der Förderzyklus:
Holz verbrennt in Feuer,
Feuer bringt Erde hervor,
in der Erde befinden sich metallische Erze,
erhitztes Erz wird flüssig,
Wasser fördert das Wachstum der Bäume.
Der Kontrollzyklus stellt sich wie folgt dar:
Holz entzieht der Erde Nährstoffe,
Metall schneidet Holz,
Feuer schmilzt Metall,
Erde dämmt Wasser,
Wasser löscht Feuer
Die weiteren Zuordnungen der Fünf Wandlungsphasen sind:
Elemente | Richtung | Jahreszeiten | Klimatische Faktotren | Farben | Entwicklungsstufen |
Holz | Osten | Frühling | Wind | Grün | Geburt |
Feuer | Süden | Sommer | Hitze | Rot | Wachstum |
Erde | Mitte | Spätsommer | Feuchtigkeit | Gelb | Wandlung |
Metall | Westen | Herbst | Trockenheit | Weiß | Ernte |
Wasser | Norden | Winter | Kälte | Schwarz | Sammlung |
Elemente | Innere Organe | Hohl-organ | Sinnes-Organ | Körper-schicht | Gefühl | Geschmack |
Holz | Leber | Galle | Auge | Muskel | Zorn | Sauer |
Feuer | Herz | Dünndarm | Zunge | Blutgefäße | Freude | Bitter |
Erde | Milz | Magen | Mund | Bindegewebe | Besorgnis | Süß |
Metall | Lunge | Dickdarm | Nase | Haut | Traurigkeit | Scharf |
Wasser | Niere | Blase | Ohr | Knochen, Gelenke | Angst | Salzig |
Tab. 1a,b. Die Entsprechungen der fünf Wandlungsphasen
Sind alle Organe in harmonischem Zusammenspiel, dann herrscht Gesundheit.
Die Acht Leitkriterien
Die Acht Leitkriterien (bagang 八纲) sind die Begriffe, mit denen jedes Krankheitsgeschehen gefasst wird. Sie sind einfach und bei genauerem Hinsehen wieder Manifestationen von Yin und Yang.
Yin | Yang |
Innen | Außen |
Kälte | Hitze |
Leere | Fülle |
Die Diagnosestellung nach den Acht Leitkriterien bringt es mit sich, dass die TCM auf der einen Seite wesentlich ungenauer ist als die Schulmedizin, auf der anderen Seite eine differenziertere und individuelle, auf den einzelnen Patienten abgestimmte, Diagnosestellung und Therapie erlaubt.
Das Leitbahnensystem jingluo 经络
Die chinesische Medizin geht davon aus, dass der Körper von einem Netzwerk von Leitbahnen (jing) und Netzgefäßen (luo) durchzogen ist, das alle Gewebe und Organe mit Energie und Blut versorgt. Sie kennt
12 Leitbahnen (6 Yin/Yang-Paare) mit Organbezug
8 Extragefäße (qijing baimai 奇 经 八脉) ohne Organbezug
Tendomuskuläre Bahnen
Netzgefäße zwischen zusammengehörigen Yin-Yang-Bahnen
Tertiäre Netzgefäße
Die 12 Hauptleitbahnen tragen Reizpunkte, die im eigentlichen Sinne „Löcher“ (xuedao 穴道oder xuewei 穴位) sind, über deren Stimulation eine Regulation im Organismus erzielt werden kann. Die Kenntnis dieser Punkte, deren Qualitäten und Kombinationsmöglichkeiten ist eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Therapie über die Akupunktur.